Vortrag am 08.05.2022

„Kriegskinder und Kriegsenkel"

Von Angelika Knöpker, Ahlen

Walstedde. Was macht ein Pianist in Corona-Zeiten? „Er entdeckt die Liebe zum Komponieren", gab Simon Wiesrecker am Sonntagabend die Antwort. Das Ergebnis konnte sich hören lassen: Mit „Träumerei vom Orient", „Nachtspaziergang" und „Intermezzo" beeindruckte er die mehr als 70 Teilnehmer, die auf Einladung der Akademie Gegenwart am Gesundheitszentrum Haus Walstedde zu einer Vortragsveranstaltung gekommen waren.

Sabine Bode, Redakteurin und Buchautorin aus Köln, referierte zum Thema „Kriegskinder und Kriegsenkel". Viele Jahre hatte die Journalistin in Interviews 300 Betroffene zu ihren Erfahrungen befragt.

„Das war für uns normal", „Andere haben es schlimmer gehabt", „Das hat uns nicht geschadet", das seien die häufigsten Aussagen der „Kriegskinder" gewesen. Mit Verdrängen und „Vergessen wollen" seien die traumatischen Erlebnisse „unter den Teppich" gekehrt worden. Besonders die jüngeren Kinder seien von den Kriegs-und Fluchterfahrungen hart betroffen gewesen. „Sie verloren nicht nur Spielzeug und Heimat, sondern auch den Halt", machte die Referentin deutlich, welche Verluste sie erleiden mussten. Dazu zählte auch das ständige „Verzichten müssen". Hinzu kam eine gewisse Kühle im Elternhaus, der Mangel an Wärme und ein unsicheres Lebensgefühl , das für die Kriegsenkel spürbar war. Heute wie damals sei die Schule die Rettung gewesen, um ein Stück Normalität wieder zu gewinnen.

Nach dem Krieg sei es den Eltern gelungen, durch unermüdliches Arbeiten die Schrecken des Krieges zu verdrängen. Die „vegetative Dystonie" als krankhafte Folge habe zu einem Boom des Kurwesens geführt.

Die Generation der Kriegskinder werde nie hören: „Du hast es schwer gehabt", bedauerte die Autorin. Warum? „Der Gedanke ist unerträglich gewesen, dass sie ihr Kind nicht schützen konnten". Das Prügeln sowohl im Elternhaus als auch in der Schule sei der verzweifelte Versuch gewesen, Spannungen abzubauen. Gespräche über den Krieg und seine Folgen habe es in den Familien nicht gegeben.

„Kriegskinder lassen die Erinnerungen aus und schweigen", zog die Referentin ein Resumee. Wer sich intensiver mit dem Thema befassen möchte, ist am Samstag, 25.Juni von 10 bis 17 Uhr zu einem Workshop eingeladen. Rita Linnenbank, Vorstandsmitglied der Akademie Gegenwart und die Theologin Monika Schmelter leiten ihn.


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