Alt-Bundespräsident Joachim Gauck zu Gast in Walstedde

Mit Respekt und Würde

Walstedde - Es war ein höchst aktuelles Thema, zu dem die Akademie Gegenwart am Haus Walstedde einen ganz besonderen Gast eingeladen hatte. Am Sonntag begrüßte Professor Dr. Dr. Josef Weglage Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, der zum Thema „Toleranzrespektvoll streiten" sprach.
Von Angelika Knöpker

„Sie haben uns total gut getan." Ein nicht enden wollender Beifall unterstrich die Worte von Professor Dr. Dr. Josef Weglage. Für den Vorstand der „Akademie Gegenwart" am Gesundheitszentrum Haus Walstedde hatte er am Sonntagnachmittag Joachim Gauck zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen. Fast eineinhalb Stunden lang sprach der prominente Theologe, Abgeordnete und frühere Bundespräsident über das Thema „Toleranz- respektvoll streiten, das wär's doch."

Toleranz, so sein Fazit, dürfe nicht als Zumutung oder Überforderung, sondern müsse als Reife begriffen werden, als beglückende Tugend und Gebot der politischen Vernunft. Das erfordere auch, sich Neuem zu stellen, Ängste zu überwinden und seine eigenen Einstellungen zu korrigieren.

Der 82-Jährige bedauerte die Veränderung der politischen Landschaft zu immer mehr Hetze und Hass. Oft würden die Grundlagen dafür schon in der Erziehung gelegt, spannte er den Bogen zu seiner schweren Kindheit in der DDR-Diktatur. Als ältestes von vier Kindern musste er miterleben, wie die Familie zweieinhalb Jahre ohne ein Lebenszeichen auf den Vater wartete. „Er wurde verschleppt, von einem Militärtribunal zur Zwangsarbeit in Sibirien verurteilt und kam erst 1953 zurück", erinnerte er sich an die schlimme Zeit der Ungewissheit.

Diese Erfahrung habe ihn geprägt, bekannte der Buchautor und bezeichnete es als glückliche Fügung, dass er Kontakt zur evangelischen Kirche bekam und Theologie studieren konnte. „Die jahrelange Unterdrückung durch das Regime führte bei vielen Bürgern zur Angststarre", berichtete er, „Anpassung wurde zur Normalität." Er habe das nicht gewollt und gekonnt, sich daher früh den Gegenbewegungen angeschlossen. „Da kann man nicht tolerant sei", machte er deutlich.

Gauck begrüßte die kulturelle und nationale Vielfalt in unserem Land, forderte zu Respekt und Achtung gegenüber Zugewanderten auf. „Bei mir hat es lange gedauert, bis ich ,dönerisiert' war", bekannte der in Berlin lebende Politiker.

Jeder habe das Recht auf seine Eigenheit, wir als Bürger die Pflicht, ihnen den Lebensraum zu gönnen. Als unterschiedliche Stufen und Formen der Toleranz nannte er die friedliche Koexistenz (vielfach anzutreffen in Ehen) und die kämpferische Toleranz, immer unter den Vorzeichen von Respekt und Würde.

Mit großer Dankbarkeit und Herzlichkeit verabschiedete ihn ein begeistertes Publikum. Der Bücherstand mit seinen Werken war dicht umlagert. Der prominente Gast wurde nicht müde, die Exemplare mit einer persönlichen Widmung zu signieren.

Für die musikalische Gestaltung sorgte das Duo Leiß-Waterkamp mit beeindruckenden Eigenkompositionen an der Gitarre und auf der Blockflöte.


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